Ich sitze in meinem Strandkorb in Cuxhaven, habe die Haare hochgetüddelt wie Frau Inspektora in „Haus des Geldes“ und schaue auf das Wattenmeer. Es ist Ebbe.
Eigentlich sollte ich jetzt in einem Wattwagen auf dem Weg nach Neuwerk sitzen, jedoch sind die Priele heute zu hoch und die Tour wurde abgesagt. Das Alternativangebot war „wir fahren nur die halbe Strecke und Sie zahlen den halben Preis“ aber ich möchte nach Neuwerk. Aus guten Gründen. Nicht einfach nur durchs Watt kutschiert werden.
So verschiebte ich die Fahrt auf morgen, wohlwissend, dass das Wetter morgen schiettiger werden soll, und sitze jetzt hier und schreibe. Ausgerüstet mit mobilen Daten und meinem Tablet, das ich die letzten Tage schon artig zum Strand und zurück geschleppt habe, kommt mir der Satz in den Kopf „Wenn du tust was du liebst, wirst du nie wieder arbeiten“ und ich fühle es sehr.
Denn ich liebe es zu schreiben. Ich liebe das Gefühl, wenn meine Finger von alleine über die Tasten fliegen, wenn sie ganz genau wissen, wo sie hinmüssen, wenn sich die Worte über meine Fingerkuppen schneller bilden als meine Gedanken sie manchmal greifen können. Ich überlege nicht, ich schreibe. Als ob sich mein Herz einen Weg durch meine Finger in die Welt bahnt, als ob das hier der tiefste Ausdruck meiner Selbst ist. Und es ist wohl nicht „als ob“, es ist so.
Viel zu lange habe ich nicht mehr geschrieben. Den Kopf dennoch voller Texte aber nicht mehr in der Lage, zu schreiben.
Es wurde mir einst madig gemacht. „Musst du so viel persönliches schreiben? Es gibt Dinge, die solltest du nicht mit der Welt teilen!“ Und so verstummten meine Finger. Ich weiß noch, wer das gesagt hat und ich weiß auch, warum das gesagt wurde. Aber heute bin ich an einem Punkt, an dem mir deren Warum nicht mehr wichtig ist, denn MEIN Warum ist größer.
MEIN WARUM ist nicht weniger als ein ICH BIN. Denn ich bin eine Schreiberin. Eine Geschichtenschreiberin.
Eine Ausdrückerin des Lebens durch Worte. Wer meint, sich hierüber lustig zu machen oder meine Worte und mein Leben bewerten zu wollen, abwerten zu wollen, nur zu. Aber bedenke, dass es immer mehr über dich sagt, als über mich. So wie mir damals die „Vorsicht“ mehr über die Sprechenden sagte, als über meine Texte. Denn am Ende geht es hier um nichts weniger als darum, mich zu zeigen. Sich der Welt zu präsentieren und sich damit natürlich angreifbar zu machen.
Ich bin ein Mobbingopfer, ich wurde in der 5ten und 6ten Klasse hart gemobbt und diese Art des Rückzugs scheint ein vermeintlich sicherer Ort zu sein um nicht angegriffen zu werden. Aber tatsächlich war es damals so, dass es keinen Unterschied gemacht hat, ob ich mich zeigte oder zurückzog. Ich wurde trotzdem schlecht behandelt. „Biete ihnen keine Angriffsfläche“ ist nur vermeintlich ein guter Ratschlag. Denn ein Angriff braucht keinen Grund, es braucht keinen Auslöser. Angreifer greifen an und wenn sie das wollen, überraschung, kreieren sie einfach einen Grund. Zu oft war schon ein „Was guckst du denn so???“ Auslöser einer Schlägerei. Was sollte man da machen? Nicht mehr gucken? Dann bliebe doch nur, sich einzusperren.
Aber ich lasse mich nicht mehr einsperren.
„Ich tanze immer den letzten Tanz der Saison und dieses Jahr wollte es mir jemand verbieten. Aber ich lasse mir nichts verbieten. Ich werde tanzen!“
Wie gesagt, das war damals ja kein Verbot, eher eine Art Zensur in Form eines gutgemeinen Ratschlags und das wichtigste an diesem Punkt ist und war aber, dass ich selbst viel zu unsicher war um mich dagegen zu lehnen. Ich habe die Worte und die Botschaft so angenommen, dachte zu dem Zeitpunkt wieder, dass ich mal wieder eine falsche Wahrnehmung von mir habe und es deshalb nicht gemerkt habe, was meine Texte wirklich bewirken würden. Dass ich zu blind war, zu klein, zu dumm, nicht alles überblicke und lieber den Rat befolge, so, wie ich es schon mein ganzes Leben lang tat.
Hier treffen tatsächlich zwei Dinge aufeinander. Zum Einen die Tatsache des Versteckens vor den alten Mobbingerfahrungen und zum Anderen eben die klare Verfolgung der Ratschläge anderer Autoritätspersonen. Fangen wir mit dem zweiten an.
Ich war immer… nun… ich habe früh gelernt, dass ich „keine Ahnung“ hätte. Obwohl ich viel Ahnung hatte. Viel Wissen, viel Intuition, viel Sehen der Dinge. Nur kollidierte das damals hart mit meinem Umfeld. Sie hatten es nicht, sie sahen es anders, sie waren mehr, sie waren älter, erfahrener, ich war falsch. Das war eine einfache Rechnung des Umfelds und der Gemeinschaft.
Also hatte ich keine Ahnung und habe mit diesem „Wissen“ angefangen, meine Autoritäten und mein Verhalten in dem zu suchen, was vermeintlich „richtig“ war, in dem ich mein Umfeld kopierte und eben auch, in neuen Situationen, Entscheidungen nach dem traf, wie sich die anderen entschieden hätten. Oder ich fragte einfach, wie ich mich entscheiden sollte und führte das dann aus.
Ich war eine Ausführende, keine aktive Gestalterin obgleich in meiner Energie schon immer viel Kreativität lebte, schon immer viel war, was sich ausdrücken wollte, aber es passte nirgends so rein. Schlimmer noch, meine Familie war recht gut im Zeichnen und Malen und das war ja nun gar nicht meins. Also war ich auch hier wieder „nicht richtig“.
Ich baute mir ein Leben als Ausführende auf. Ich war recht schlau, schon immer gewesen, das half mir für die Schule und das Studium, das eröffnete mir „erfolgreiche“ Türen in meiner Ausbildung und im Job. Ich führte das alles brav aus und gleichzeitig aber war ich nie… frei. Ich fühlte immer, dass das „langweilig“ war, es lief so wie am Schnürchen, ich brauchte wenig Entscheidungen treffen (und wenn, dann ließ ich eher entscheiden), es war, als ob alles so vorgezeichnet vor mir lag. Und so schön und luxuriös diese Situation für manche zu sein scheint, gerade für die, die sich alles hart erarbeiten mussten, so fade war es für mich. Es war nie etwas besonderes, obgleich ich das doch für mein Leben immer wollte.
Es sollte besonders sein, es sollte diesen Funken von Glitzer haben, von Außergewöhnlich und ich versank in „stabil und sicher“. Gleichwohl, dass sich mein Verstand und mein Nervensystem freuten, war doch alles schick und fein.
Meinen ersten Blog begann ich während einer Therapie. Ich musste mich ausdrücken und ich wollte teilen. Ich wollte meine Geschichte teilen und damit Mut machen, mein neu erlerntes Wissen über Resilienz, über die Kraft der Gedankenmuster und die Magie des Lebens in die Welt teilen. Als „ganz normale Frau“ einen Mehrwert für die Welt bringen. Menschen berühren und motivieren.
Nun, bis in die Welt habe ich es nicht geschafft aber zumindest im Freundes- und Bekanntenkreis gab es eine begeisterte Leserschaft, obgleich ich nie erfahren habe, in wie fern meine Texte einen Mehrwert abseits der Unterhaltung hatten. Aber selbst wenn sie „nur“ unterhaltsam waren, war das auch schon ein Erfolg.
Mit der Zeit habe ich über die Coachingerfahrungen eine neue Tiefe angenommen, ein tieferes Wissen über mich selbst und dem, was ich bis dahin so gelebt hatte. Ich habe erkannt, dass ich so viel Schmerz und negative Gedanken über mich selbst hatte, und hab auch das mit der Leserschaft geteilt. Dann kam die Trennung von meinem Exfreund und natürlich schrieb ich auch hierüber einen Text. Und dann kam dieser Ratschlag.
„Schreibe nicht dein Herz ins Internet, du weißt nicht, was damit geschieht und was Leute daraus gegen dich machen könnten!“. Uff. Meine Idee war doch bis dahin, dass es die Menschen positiv bewegt, dass sie ein Mitgefühl entwickeln und über meine Ansätze der Selbstreflektion ebenfalls beginnen, zu reflektieren, ebenfalls beginnen, bei sich zu schauen und auch hier und da ein wenig zu heilen. Dass irgendjemand darüber lästern, es zerreißen könnte, schlecht darüber redenn oder es gar gegen mich verwenden könnte, kam mir nie in den Sinn. Bis zu diesem Tag. Aber es klang logisch. Natürlich gibt es „schlechte Menschen“, natürlich, sie sind mir ja auch schon begegnet.
Und mit diesem Gedanken erlosch mein Licht. Ich fing an über meine Texte nachzudenken und ich begann mich selbst zu zensieren, mein Herz nicht mehr direkt in die Finger fließen zu lassen sondern erst einen Kontrollfilter über den Verstand einzubauen.
„Kann man das so schreiben? Könnte es irgendwelche negativen Auswirkungen haben?“
Gleichzeitig war ich zu dem Zeitpunkt kurz davor, die ersten Sichtbarkeitsschritte für meine Selbstständigkeit zu gehen und auch dies erlosch. Und es sollte 4 Jahre dauern, bis sich der Funken wieder entzündet.
Meine Texte sind mein Herz. Ich bin den damals ratschlagenden Personen nicht böse darüber, sie meinte es nur gut und ich habe es ja auch angenommen. Ich hatte damals nicht die Stärke zu sagen „das ist mein Ding, haltet euch da raus!“ Ich hatte nicht die eigene Kraft, die vermeintlich bösen Menschen aus meinem Feld zu räumen und darüber zu stehen, einfach „mein Ding“ zu machen. Für diese Personen ist die eigene Entfaltung nur im Rahmen des gesellschaftlich akzeptierten ok. Alles andere ist zu viel. Und ich habe schon immer diese Rahmen gesprengt. Ich bin größer als diese Rahmen, ich bin mehr als das „normale“. Und genauso sind meine Texte.
Hallo Welt, ich schreibe wieder! Viel Spaß damit!