Ich liebe ja Geschichten… ich liebe es, die Geschichten des Lebens zu hören, sie zu analysieren, sie zu ergründen, die Zusammenhänge zu verstehen und rückblickend zu staunen, wie sich alles entwickelte.
Und ich liebe es, Geschichten zu lesen, Bücher zu lesen, diese Geschichten zu verfolgen.
In dem letzten Buch las ich inhaltlich folgende Zeilen
„Man weiß genau, dass sie sich am Ende kriegen werden, man möchte nur zu gerne wissen, was dazwischen geschieht. Das ist das schöne an Liebesgeschichten!“
Und das stimmt. Es gibt Bücher, die fesseln, die ziehen dich in ihren Bann, du verschmilzt mit den Protagonisten, mit den Gefühlen, dem Setting und wenn die Geschichte aus erzählt ist scheint es, als würde man etwas zurücklassen.
Zwischen diesen Zeilen verliere ich mich. Zwischen diesen Geschehnissen, den Plot Twits, den Entwicklungen kann ich zerschmelzen.
Aber in meinem eigenen Leben? Da würde ich so gerne ans Ende springen. Nicht an „mein Lebensende“ sondern an das Ende der einzelnen Geschichten. Ich würde so gerne wissen, wie es wann ausgeht. Was am Ende geschehen wird, welche Storyline zu welchem Ende führt, welche eine Sackgasse ist, welche in Glück und welche in Traurigkeit endet.
Die Wahrheit ist, ich ertrage das „Leben zwischen den Zeilen“ nur schwer. Ich bin ungeduldig und unsicher. Ich verschmelze nicht mit meinem Leben, nicht mit den Geschichten, ich lebe sie nicht, sondern hoffe nur, dass es irgendwie alles schnell vorbei geht, damit ich zum nächsten Kapitel springen kann, in dem alles gut ist.
Ich bin gut in Worten, ich bin gut darin, Situationen zu Papier zu bringen und wohl auch, dadurch Gefühle zu aktivieren aber so oft fühlt es sich an, als würde ich mein Leben taub und stumpf verbringen. Ich fühle wenig, vor allem Genuss und Freude, die, wie ich unlängst im Gesangsunterricht lernte, hochwichtig sind für die eigene Anziehungskraft, bleiben so oft aus.
Und trotzdem strahle ich, trotzdem lächel ich.
Es ist eine Gleichzeitigkeit die geschieht, weil ich in meinem Kopf lebe, noch nicht so sehr in meinem Herzen, wie ich es gerne hätte. Auch das ist eine Wahrheit. Das Ziel, vom Kopf in das Herz zu gelangen, bedarf einer langen Trainingszeit. Und ich übe, ich übe sehr oft, nicht regelmäßig, wie wohl bei allem im Leben. Ich kenne ja die Vorzüge des Ziels und doch ist es so oft schwer, die alten Gewohnheiten durch die neue Übung zu ersetzen.
Auch ich bin da nicht anders als jeder andere Mensch auch. Bei mir ist nur der Unterschied, dass ich mir dessen bewusst bin, dass ich von außen auf mich schaue und beobachte, was ich tue, was geschieht. Auch mit blinden Flecken, nie 100% transparent, gerne mit einer Portion Ausreden. Aber ich würde mich schon als bewusster bezeichnen, als wohl 80% meines Umfeldes.
Und in all den Lehrbüchern, in all den Kursen, in all den Ratgebern, in allen Schriften und Artikeln steht immer wieder geschrieben „Der Weg ist das Ziel, genieße die Reise“ und ich hasse es.
Auf die Metapher der Geschichten heißt das… es geht um die Geschichte als Solches, es geht um die Momente, nicht um die Schlussszene. Es geht um die Entwicklung, nicht um das Happy End. Das Leben besteht aus den Seiten zwischen Anfang und Ende, es besteht aus den Zusammenhängen in den einzelnen Kapiteln, kein Autor vermag schönere Geschichten zu schreiben, als das Leben selbst.
Und mein ach so schlauer Verstand? Der kennt all das und dann blickt er sich um und stellt fest, dass ich weiterhin nicht angekommen bin. Dass ich weiterhin auf der Reise selbst bin und mir die Füße in Ineffizienz blutig laufe, während ich doch schon „viel weiter und viel besser hätte sein können“.
Ich mag nicht, wo ich gerade bin. Es gibt einzelne Teile, die sind fein. Es gibt Tage, die sind wirklich wundervoll. Aber grundsätzlich mag ich nicht, wo ich gerade bin. Dabei geht es nicht um die Räumlichkeiten, nicht um die Orte, nicht um meinen physischen Standort, es geht darum, wo ich auf meiner eigenen, jetzt schon 5 Jahre dauernden, Entwicklungsreise bin. Müsste ich jetzt nicht schon erfolgreicher sein? Glücklicher? Zufriedener? Mehr wissen, wer ich bin und was ich will und überhaupt, eben jenes auch endlich haben?! Was stimmt denn nicht mit mir? Auf der stetigen Suche nach Anerkennung durch Leistung ist das hochspirituelle „genieße deinen Weg“ unangebracht. Und ich verliere die Trennlinie aus alten, von meinem Vater übernommenen, Konditionierungen und „das bin wirklich ich“.
Schaue ich in mein Human Design und in meinen Seelenplan, sehe ich es. Ich sehe die Ungeduld, ich sehe, dass ich alles verstehen muss und ich sehe, dass das alles Schatten meiner Kräfte sind. Die Kehrseiten der Medaillen dessen, wer und was ich sein könnte. Und mir fehlen langsam die Ideen, wie ich es ändern kann. Und ich sehe meine Bestimmungen als Leaderin und ich spüre so viel Kraft, ich erkenne mich als Cyclebreakerin und halte Räume für Frauen, die sich gerade in den unsichersten Situationen befinden, halte Räume in denen sich Frauen freier machen können, ihr Leben neu gestalten können, helfe ihnen, ihre eigenen Glaubenssätze zu transformieren und zu erkennen, wie wundervoll sie sind. Und ich selbst halte mich für nutzlos und unwichtig.
Aber was wäre, wenn ich jetzt wüsste, wie diese Kapitel enden? Wenn ich wüsste, was morgen Großes geschehen könnte? Würde ich dann etwas ändern? Würde ich mich heute anders fühlen wenn ich wüsste, dass ich morgen ankommen würde? Und ist es vielleicht genau das? Dass ich die Identität der „ständig Reisenden und Reisen Hassenden“ habe statt anzukommen? Wenn ich selbst bestimmte Seiten meiner Geschichte ständig zurückblättere, statt nach vorne? Was wäre, wenn mein Leben genau jetzt, so wie es ist, richtig ist? Wenn es da draußen doch einen Bastian Baltasar Bux gibt, der meine Geschichte spannend verfolgt und sich in den Zeilen verliert und laut aus dem Fenster schreit, dass doch alles gut ist und ich keine Angst haben brauche? Der mich schon längst Mondenkind taufte, ich es nur noch nicht gehört habe, weil ich nicht zuhören wollte sondern mich manchmal dem Nichts so sehr nachgebe? Und was wäre, wenn ich im Determinismus sowieso und überhaupt gar keine Entscheidungsgewalt hätte, weil Gott und das Leben selbst geschrieben haben, nicht ich und sich meine Kapitel immer dann weiterblättern, wenn es halt „soweit ist“?
All das oben beschriebene ist ein Paradebeispiel des Tauziehens von Kontrolle und Vertrauen. Wir, Ich, habe gelernt, dass ich kontrollieren muss, dass ich nicht vertrauen darf, vor allem nicht mir und meinen (hihihi) sogenannten Fähigkeiten. Und gleichzeitig habe ich mich dazu entschieden, meinen eigenen Weg zu gehen, mich selbst zu entdecken, mich auszudrücken statt zu unterdrücken. Und das geht mit so vielen Unsicherheiten einher.
Die größte Angst dabei ist, dass ich es niemals erreichen werde. Dass meine Träume zu groß und zu „unrealistisch“ für mich sind, dass ich nicht reiche, um das zu erreichen und am Ende groß scheitern und verspottet werde. Und um das zu umgehen, suche ich nach Sicherheitsösen, wie beim Bouldern, suche nach den Erfolgen und Beweisen, obwohl der einzig geltende Beweis der „Zielpunkt“ wäre.
Es ist verstrickt. Und vor lauter Aktivitäten des Verstandes und vor lauter Anstrengungen, meiner eigenen Angst immer wieder mit Beweisen zu begegnen, vergesse ich zu leben. Ich vergesse zu genießen. Ich vergesse Freude und Glück in den kleinsten Momenten. Ich vergesse die Wunder und die Magie um mich rum, ich vergesse meine Fähigkeiten, ich übersehe mein Wachstum, ich übersehe mich. Mal wieder. Wie schon so oft. Ich bin es erst wert gesehen zu werden, wenn ich alles richtig gemacht habe und Leistung erbrachte. Schade.
Jeder Frau in meinem Feld sage ich immer wieder „sei lieb mit dir, dort, wo du jetzt gerade bist!“. Das darf ich auch wieder mit mir machen. Denn vielleicht, ist das „sich ihn den Weg verlieben“ keine romantisierte Geschichte einer großen Wanderung. Kein Wanderer ist ständig fröhlich pfeifend. Manchmal reicht es vielleicht schon, vor lauter schmerzenden Füßen und Blasen, und Rückenschmerzen und Sonnenbrand, einmal kurz den Ausblick wertzuschätzen. Niemand, kein Wanderer, kein Lebensexperte, niemand liebt und oder hasst die gesamte Strecke. Es wechselt sich immer ab. DAS ist das Leben.
Doch meine Ansprüche sind immer so abartig hoch und ich weiß, dass ich damit nicht alleine bin. Deshalb schreibe ich das jetzt genau hier… es ist ok, wenn ich mein Leben hasse und es ist ok, wenn ich es liebe. Es ist ok, wenn sich diese Zustände abwechseln, es ist ok, wenn das innerhalb von Minuten passiert. Es ist ok, Angst zu haben und zusammenzubrechen und es ist genauso ok, vor Zuversicht und Vertrauen zu fliegen. Es ist alles voll ok. Denn wir brauchen alles im Leben. Und es ist ok, wenn es gerade mal nichts gibt. Nichts zu tun, nichts zu fühlen, nichts zu ärgern. Liebe ist Liebe ist Liebe ist Liebe, ich muss mich nur daran erinnern, dass sie immer bei mir ist und dass alles gut wird. Dass meine Träume keine Wolkenschlösser sondern Zukunftsvisionen sind, dass ich in der Lage bin, all das zu erreichen und noch viel mehr und schöner und besser, als ich es mir jemals vorstellen könnte.
Ich habe die Kraft und die Möglichkeiten, mir meine Reise zu gestalten. Denn ich komm eh nicht schneller im Leben an. Ich kann keine hochspirituellen Quantum Leaps erzwingen. So funktioniert das Spiel nicht. Aber ich kann mir meine Geschichte schön machen. Kann überlegen und umsetzen, was es braucht, dass ich mich zwischen den Zeilen verliere, dass ich selbst unbedingt wissen will, wie es weiter geht.
Vielleicht wird nicht jeder Tag ins Buch meines Lebens geschrieben, aber vielleicht hat jeder Tag das Potential dazu, Teil dieser wundervollen Geschichte zu sein. Am Ende werde ich es später erfahren.