Knock knock, here´s your bullshit of the day

Ich wünschte ja, er würde sich so ankündigen. Und eigentlich müsste er einen Präsentkorb mitbringen, ein Entschuldigungsgeschenk, groß, teuer, kein einfacher Blumenstrauß sondern was Glänzendes. Aber das tut er nicht, nie. Er ist einfach da, schleicht sich von hinten an und überfällt mich.
Mein Bullshit.

Es sind diese Tage, an denen man wohl „mit dem falschen Fuß aufsteht“, an dem „die Sterne komisch stehen“ oder „etwas in der Luft ist“. Als Frau hat man da noch den Zyklusbonus gezogen, denn mein PMS schreit mir auch den ganz großen Bullshit ins Herz.
Denn genau das ist es… Bullshit schreit nicht ins Ohr, er schreit direkt ins Herz, in meine Seele, zerschmettert jede mühsam aufgebaute Liebe in tausend Scherben, zertrampelt meinen Selbstwert und hinterlässt einen Trümmerhaufen aus Zweifeln, Tränen, Sorgen, manchmal sogar Selbstzerstörung. Und ich merke es erst dann, wenn es zu spät ist. Wenn die Trümmern zu spitzen Scherben geworden sind, die mir fleißig ins Herz pieksen, begleitet mit diesen altbekannten Sätzen, „Du kannst nichts“, „Niemand braucht dich“, „du bist zu nichts nütze“, „Niemand liebt dich und kann dich jemals lieben“, „und überhaupt bist du viel zu dick, schau dich doch mal an“ und das große Finale „Lass es doch einfach, gib auf“.

Mein Bullshit kommt immer dann, wenn meine Energie runtergefahren ist. Wenn ich zu müde bin. Wenn ich mich nicht um mich kümmere. Wenn ich an anderen Stellen gerade viel Energie reingebe. Dann fallen meine eigenen inneren Schutzmauern, sie aufrecht zu halten fehlt mir die Kraft und gibt den Raum in meinem Inneren für all die Dämonen frei, die in den dunklen Ecken meiner Seele lauern und auf ihre Momente warten.

Ich versuchte einst, einen Gandalf zu installieren. Einen Wächter, einen Zauberer, der sich mutig mit seinem Zauberstab den Dämonen entgegenstellt und brüllt „You shall not pass! – Du kannst nicht vorbei!“
Die Idee finde ich noch immer sehr gut, aber auch für Gandalf brauche ich Kraft und Energie. Auch Gandalf braucht seine Magie. Auch Gandalf muss ich aufrecht erhalten. Es mag wohl Menschen geben, bei denen das eine unbewusste Kompetenz ist, die von sich aus einen automatischen Ablauf haben, mit den Dämonen im Frühstadium auszukommen, nun, ich nicht. Wir, Gandalf und ich, werden von ihnen überrannt. Jedes Mal. Blumenstraußlos. Einfach so.

„Du musst diese Anteile von dir lieben“ ist die nächste Strategie. Annehmen, lieb haben, sie als Teil von mir akzeptieren. Und ja, ich finde den Ansatz weiterhin sehr schön und friedfertig. Aber ich komme an meine Grenzen, wenn die Friedfertigkeit niedergetrampelt wird. Denn, ich bin ehrlich, ich glaube nicht, dass der Bullshit Frieden in seinem Sinn hat, dass er Frieden möchte.

Er möchte mich schützen, natürlich, wie jeder andere Anteil in mir auch. Und er hat Stimmen aus meiner Vergangenheit bei sich. Die Dämonen sprechen Sätze aus, die ich als Kind gehört habe, die ich als Jugendliche gehört habe, die ich noch als Erwachsene gehört habe.
Es sind die Momente, in denen ich wenig Kraft habe und in denen mein System auf Überleben umspringt. Und um zu überleben muss ich mich anpassen. Wie früher. Nur hatte ich immer ein Problem mit diesem Thema, ich musste mich immer anpassen weil ich nie wirklich reingepasst habe. Weil ich schon immer anders war, schon immer zu viel, zu laut, zu dick, zu falsch. Musste mich zurücknehmen, musste mich klein halten um geschützt zu bleiben.
Mein System hat das gelernt. Es hat gelernt, wie ich mich verhalten muss um vermeintlich zu überleben. Um nicht ausgestoßen zu werden. Denn das ist die Überlebensregel #1 eines jeden Kindes. Wenn du alleine bist, wirst du sterben, tue alles um nicht ausgestoßen zu werden und Teil der Gemeinschaft zu bleiben. Und das war in meinem Fall eben „klein halten und mich verstellen um geliebt zu werden“.
Und so überfällt es mich mit Anweisungen wie ich zu überleben habe und mit den Sätzen, die ich dafür „hören muss“. Überleben vor glücklich sein. Immer wieder.

Denn das bin ich an solchen Tagen nie… glücklich. Es sind diese Tage, an denen ich mich verbuddeln möchte. Nicht um Kraft zu tanken sondern um mich dem Elend hinzugeben. Tage, an denen ich aufgeben möchte. Nicht wissend, wo mich ein Aufgeben hinführen würde, aber es sind diese Tage, an denen ich mir nur wünsche, dass es einfach vorbei ist. An denen diese Stimmen für immer schweigen und ich ihnen am liebsten hundertprozentig recht geben möchte, nur damit sie aufhören, die Scherben in mein Herz und in meine Seele zu kratzen.

Ich habe keine Strategie für diese Tage, außer, sie durchzuhalten. Ich habe keine guten Ratschläge und keine 10 Punkte Pläne. Ich habe keine Vorkehrungen, keine Frühwarnsysteme und Gegenmaßnahmen. Ich werde von diesem Bullshit überrannt. Jedes Mal. Und manchmal ist der einzige Unterschied die Dauer, bis ich merke, dass es der Bullshit und nichts davon wirklich wahr ist. An manchen Tagen bin ich schnell dabei, an anderen Tage merke ich es irgendwie gar nicht und nerve mein Umfeld mit all den Sätzen. Denn vielleicht ist genau das das Wichtigste. Menschen zu haben, die all das mit einem tragen. Die es ertragen. Die diese Momente mit aushalten, die da sind, die Energie und Liebe haben, wenn ich es nicht mehr habe. Und die bleiben, auch wenn mir mein Bullshit sehr eindeutig sagt, dass ich sie genau damit vertreibe und es eigentlich lieber lassen sollte, alle zu nerven und so viel zu jammern. Ja, derjenige Anteil der mir sagt, ich bin elend, sagt mir auch, dass ich nicht so elend sein sollte. Bullshit ist niemals logisch oder hilfreich. Er ist der animalische Überlebensmodus in Worten und dem Gefühl, der falscheste Mensch auf der Welt zu sein, der kurz davor ist zu sterben und sich dem bloß entgegenstellen muss.

Jeder von uns hat Bullshittage. Manchmal sind es nur Stunden, manchmal Wochen. Aber was wir wirklich in diesen Momenten tun sollten ist, darüber zu reden. Erkennen zu dürfen, dass es nicht komplett wahr ist, dass es der Bullshit ist, der durch individuelle Auslöser bei jedem von uns seine bösen Scherben auspackt. Aber wir dürfen darüber reden. Wir müssen sogar darüber reden. Denn nur dann können wir das kriegen, was wir in diesen Momenten wirklich brauchen. Liebe, selbst dann, wenn wir uns für nicht liebenswert halten. Zusammenhalt, wenn wir glauben, dass wir ganz alleine sterben. Verständnis, wenn wir uns selbst nicht verstehen. Energie, wenn wir gerade selbst keine haben.

Wir dürfen ehrlich darüber sprechen, was uns bewegt, was wir fühlen, was wir denken.
Wir dürfen ehrlich darüber sprechen, welche Dämonen wir tagtäglich mich uns führen, welche Sätze sie sagen.
Wir dürfen uns ehrlich zeigen, in all unseren Facetten und Momenten, in all unseren dunkelsten und strahlensten Momenten.
Wir dürfen ehrlich sein. Immer.

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